Temple Bar, bei Nacht

Der Fernbus brauchte gute zwei Stunden, um in Dublin City anzukommen.

Mein Date holte mich am Fernbus ab und sah völlig anders aus, als auf ihren Bildern. Älter und deutlich fetter, aber mit einer extrovertierten, kumpelhaften Ausstrahlung, die einen Abend besten Craics weit außerhalb meiner Komfortzone versprach.

Nach einer für meinen Geschmack etwas zu langen Umarmung mit einer Hand auf meinem Hintern führte sie mich durch Temple Bar, ein Pubviertel in Dublin, das sich in Halbdunkeln von seiner besten Seite zeigte. Einzelne Busker, die teils richtig gute Musik machten, und vor und in den Pubs oft Bands. In fast jeder Bar gab es entweder Rugby oder Live-Musik, und damals bekam man überall noch Pints für fünf Euro.

Zwei oder drei Pints später hingen wir in irgendeine abgeranzten Metal-Bar, ohne Live Musik, dafür mit bequemsten Sesseln und guter Musik vom Band rum und mein Ersteindruck bestätigte sich: witziger, herzlicher Mensch, von dem ich definitiv nicht mehr als Freundschaft will. Aber sie brachte uns Pint um Pint, bestand drauf, mich einzuladen, denn schließlich hatte ich den langen Weg auf mich genommen, irgendwann gabs noch Essen vom Chipper, und so hing ich wohlig und satt und viel zu betrunken in irgendeinem Sessel in irgendeinem Pub, konnte dem Gespräch kaum noch folgen, und bemerkte auch kaum, dass sie mich ständig irgendwie befummelte. Haar gestreichelt hier, Schultern massiert da, irgendwann die Hand auf den Oberschenkeln, lass das bitte. Ich erkläre, dass ich mich nicht von ihr angezogen fühle, und habe ein schlechtes Gewissen als mir klar wird, dass ich mir diese Art von Übergriffen von einer attraktiveren Frau wohl eher hätte gefallen lassen.

Sie nimmt es locker und während ich pissen gehe, holt sie noch mal zwei Pintgläser, und in meinem ist irgendwas drin, was wie der Pflaumenschnaps schmeckt, den man nach dem Chinabuffet bekommt. Aber das kann es wohl kaum sein, in einem Pintglas…

Bald wird mir klar, dass ich den letzten Bus nicht mehr bekomme, aber sie schlägt mir vor, dass ich bei ihr schlafen kann. Ich bin dankbar, aber sage ihr, dass ich wirklich nur eine Bleibe für die Nacht suche, und sie sagt das geht klar, im Zimmer ihres Mitbewohners, der gerade in Australien ist, sei ein Sofa für mich. Auf dem schlafe ich dann auch alsbald ein, nichtmal Jeans oder Schuhe schaffe ich auszuziehen.

Irgendwann wache ich auf, weil ich schlecht Luft bekomme. Mund und Nase sind halb bedeckt irgendwie stinkt es nach altem Spülschwämmchen. Ersticke ich? Was zur Hölle hab ich im Mund? Ich werde richtig wach und merke, dass sie auf meinem Gesicht sitzt. Oh gross, fuck off, schrei ich, unter einem Berg von Oberschenkeln, Arsch und Fotze, und sie steht Gott sei Dank auf, vermutlich verletzt von meiner Reaktion, oder vielleicht aus Angst dass ich zubeiße. What the fuck are you doing?!

Sie klettert von der Couch, zieht ihr Nachthemd über ihre Beine, sieht nicht mehr verletzt sondern wütend aus. Ah piss off yer feggit! schreit sie mir hinterher, während ich meine Lederjacke schnappe und aus der Wohnung eile.

Draußen dämmert es schon, am Kanal geben sich die Frühschicht und die beim Feiern hängen gebliebenden die Hand, und kurz darauf sitze ich auch wieder im Fernbus.

Meine Fresse hasse ich Dating. Aber, Gott, freue ich mich auf meine Zahnbürste.


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