Es ist Spätsommer, viel zu heiß, und die Kleinstadt schläft mit offenen Fenstern. Eine junge Mutter, unendlich erschöpft, bringt ihren Buben zu bette. Der Hund hat sich entleert, der Bauch des Sohnes ist voll, und für einen perfekten Moment schlafen beide ein, und auch der dankbaren Mutter fallen kurz die Augen zu.
Und dann, RÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖRRR-RÖÖÖRR, ein Motorrad weckt den Jungen, weckt den Hund, weckt die halbe Kleinstadt. Der Hund bellt, die Nachbarshunde stimmen ein, der Junge weint, der Mutter geht der Puls hoch.
Achim sitzt auf seiner Harley, die tägliche Tour über die Landstraßen neigt sich dem Ende zu. An der letzten Ampel nickt er cool einem jungen Mädel zu, die neben ihrem Freund im Auto sitzt. Die verzerrt ihre Oberlippe, in einer Mischung aus Ekel und Mitleid und guckt sofort weg. “Ich habs immer noch drauf”, denkt sich Achim, der im Halbdunkeln ihren angewiderten Blick als schüchternes Lächeln interpretiert. Ein echt geiler Typ eben.
Verschwitzt und zum Bersten gefüllt fängt seine wulstige Wampe unter der schwarzen Ledergarnitur zu jucken an, dann fährt er in seine Garage, bewundert noch für einen Moment sein Motorrad, eine echte Harley, von seinem Kumpel Günni, dem Günnikologen wie er ihn nennt, frisiert, um extra laut zu sein. Ein echtes Männergefährt eben, denkt sich Achim.
Während er im WC im Erdgeschoss laut stöhnend und schwitzend eine schmerzhafte Arschgeburt zur Welt bringt, liegt seine Frau Erika oben bereits im Bett, löscht das Licht, und hofft, dass er sie einfach schlafen lässt, und ihr nicht wieder die Ohren abkaut, vom Günnikologen, und von den immergleichen, langweiligen Fahrten des Tages. Von der Einkehr an einer Kneipe an der B9, wo er mit anderen Fettsäcken ein Bier runterschlürft und sich an der jungen, blonden Kellnerin aufgeilt, und dass er, um Gottes Willen, bloß keinen Sex will.
Aber ihre Sorge ist unbegründet, denn im Erdgeschoss geht der Fernseher an und ein Bier ploppt auf. Langsam driftet sie in den Schlaf, unbelästigt von Achim und seinem ohnehin kaum noch funktionierendem Glied. Und Achim schläft unten auf dem Sofa ein. Ein guter Tag, denkt er sich.
Ein paar Wochen später.
Die junge Mutter holt die Post rein, zahlreiche Prospekte, trotz dem höflichen “Bitte-keine-Reklame oder-Zeitungen-einwerfen”-Vermerk am Briefkasten, und würde sie das örtliche Wochenblatt aufschlagen, fände sie dort einen Nachruf, auf Achim, 53, geliebter Vater und Ehemann, dessen Leben auf tragische Art von der Kollision mit einer Eiche beendet wurde.
Und während Achim, 53, von seiner Frau, der das Trauern schwer fällt, und seinem Kumpel, dem Günni, den er immer den Günnikologen nannte, zu Grabe getragen wird, bricht langsam der Herbst über der dankbaren Kleinstadt ein.
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