“Robert kann dich doch nicht fahren, der musste seinen Lappen abgeben.”
Fuck. Ich war so um die 15, und eigentlich hätte ich es längst besser wissen müssen, aber ich hatte mich drauf verlassen, dass der Freund meiner Schwester mich zu einer LAN-Party fährt. Robert war einer von zahlreichen Freunden, die meine Schwester hatte, und gleichzeitig der Typ den wir am besten leiden konnten. Chaos in Person, ein absoluter Traumtänzer, voll mit wirren Ideen und der Aufmerksamkeitsspanne eines Welpen mit ADHS. Herzensgut, aber zu verstrahlt für diese Welt.
Also Kevin angerufen, geht klar, er kommt mit dem Rad vorbei, und kurz darauf schleppen wir den riesigen Rechner und den Röhrenmonitor die den Hausflur runter, um die Kisten dann mit den Rädern zu transportieren. Es ist heiß, Juli, und in Chorweiler steht die Hitze zwischen den Plattenbauten und betonierten Spielplätzen, zwischen Parkplätzen und Straßen und Sonnenstudios und Spielcasinos. Der halbe Weg ist geschafft, wir sind nass geschwitzt und fertig, keiner will der Erste sein der aufgibt, da hupt jemand hinter uns.
Hüpft rein, ruft meine Schwester, und ihr Freund Robert ist mit seinem schwarzen Opel Corsa da. “Da steig ich nicht ein” sagt Kevin, und radelt von dannen, und auch hier: ich hätte es besser wissen müssen, aber ich will halt unbedingt zur LAN. Also geh ich an an den Kofferraum, aber Robert ruft dass der voll ist, mit Boxen, Subwoofer und so, also Rechner und Monitor auf die Rückbank, und ich daneben, obwohl auch Robert offensichtlich voll ist.
Wir fahren also los, hinter dem Rücksitz liegen zahlreiche Kippenstummel, und ich will Robert schon zugute halten, dass er die Kippen wenigstens nicht auf dem Fenster wirft, da surrt eine noch glühende Kippe an mir vorbei aus meinem Fenster. Das einzige Fenster das aufgeht, sagt Robert, und der Versuch aus dem fahrenden Auto die Kippen aus dem Rückfenster der Beifahrerseite zu flippen geht wohl des öfteren daneben. Aber egal, ich bin happy dass er mich fährt, trotz offensichtlicher Lebensgefahr, denn wie eine Kultfigur des deutschen Internets mal zu sagen pflegen: ICH WILL UNREAL TOURNAMENT SPIELEN.
Dann kommen wir bei der LAN an, Robert hupt, Ingo kommt schleppen helfen, der Corsa zieht ab, und ich bin happy. Die LAN findet in Ingos Garage statt, das Tor weit offen, und zehn oder so Typen, alle Freunde von Ingos großem Bruder, sitzen rum. Billige Cola und billiges Bier, Energydrinks waren damals noch nicht so en vogue, Schweiß und Tabak, es stinkt trotz offenem Tor, das Klackern billiger Membrantastaturen. Auf einem Bildschirm läuft ein Gina Wild Film, vor dem Bildschirm ein Typ mit der Hand in der Hose, ein anderer Typ browst den Failblog, aber die meisten spielen Deathmatch im neuesten Unreal Tournament.
Also schließen Ingo und ich meinen PC an, IP konfiguriert, der Rechner surrt, ich ziehe mir Unreal über LAN, und weil keiner hinsieht direkt ein paar “Filme”, und mein Hype ist grenzenlos. Dann, die Fehlermeldung. Meine Grafikkarte, damals hießen die noch Grafikbeschleuniger, kann kein DirectDraw, oder sowas. Auf jeden Fall zu alt. Enttäuschung, dann Panik. Fuck, was mache ich jetzt. Counterstrike läuft ja bei mir, Warcraft 3 auch, nur halt Unreal nicht. Also schlage ich vor, was anderes zu zocken, aber die erwachsenen Typen haben wenig Mitleid mit meiner alten Kiste und sind im Deathmatch-Rausch. M-M-Monsterkill!!!
Der Tag neigt sich dem Ende zu, es wird dunkel, und ich bin der einzige der nicht mitzocken kann. Eigentlich würd ich gern nach Hause, die Atmosphäre wird mir längst etwas zu erwachsen, der Alkoholpegel steigt und auf immer mehr Bildschirmen laufen nun keine Spiele sondern Pornos, manch einer ist am wichsen, und ich bin zunehmen angewidert. Aber mein Fahrrad hab ich in Chorweiler angekettet und überhaupt, wenn ich den Familienrechner bei Ingo stehen lasse, tanzt zu Hause der Klappspaten.
Ich leih mir Ingos Handy und rufe meine Schwester an. Auf zwei Dinge kann ich mich verlassen: erstens, sie wird mich Heulsuse nennen, oder Fotze, oder so. Zweitens, sie wird mit Robert losfahren bevor ich aufgelegt habe.
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