Ein paar Wochen lang habe ich Ausreden gesucht.
Ist das nicht unhöflich? Oder: Vielleicht problematisch, nicht dass
sie sich auf der Arbeit belästigt fühlt. Oder: Heute ist eh zu voll,
viel zu stressig.
Aber irgendwie ging mir die Idee nicht aus dem Kopf, und so nahm ich
mir vor, es einfach mal zu versuchen. Tinder hatte mich faul gemacht.
Swipen, chatten, verabreden: alles ohne Risiko, ohne dass man viel
investieren muss, ohne dass man Absagen persönlich erlebt. Daten für
Schüchterne.
Einmal saß sie an der Kasse als ich völlig verranzt aussah und Wein
und Gummis gekauft habe. Mein Drei-Tage-Bart und erste weiße Haare auf
dem Kopf lassen keinen Zweifel daran, dass ich die Dreißig hinter mir
gelassen habe, und so konnte ich ihre Aufforderung, meinen Ausweis zu
sehen, nur als gut gemeinten Witz auffassen. Haha, sagte ich nur, und
sie so: schönen Abend wünsche ich dir! Genug, um mich zwei Tage immer
wieder grinsen zu lassen.
Und dann, vielleicht drei Wochen später, der perfekte Zeitpunkt.
Wenig los im Laden, und sie räumt gerade ein Regal ein. „Verzeihung“,
sag ich, und sie dreht sich um. Das war nicht vorbereitet, und
vielleicht etwas ungeschickt, aber ich frag sie, was sie davon hält,
wenn ihr Männer auf der Arbeit ihre Nummer geben wollen. „Kommt auf den
Mann an.“ sagt sie, aber sie grinst. Und dann: „Ich hab mein Handy nicht
hier, aber ich kann dir meine geben.“
Erfolg. Ohne Bildschirm dazwischen, ohne zu swipen. Ohne die
immergleichen, nervigen, seelenlosen ersten Chats. Ohne Dates, die eher
Bewerbungsgesprächen als authentischen Begegnungen gleichen.
Später schreib ich ihr, sie kommt ein paar mal nach der Arbeit
vorbei, wir gehen spazieren oder hängen bei mir rum. Schlafen ein paar
mal miteinander und machen einen kleinen Ausflug an die Nordsee.
Irgendwie funkt es nicht so richtig, wir haben nicht viel worüber wir
reden können, die lange Autofahrt verbringen wir größtenteils
schweigend. Eigentlich ist sie mir deutlich zu jung und süchtig nach
Insta und Tiktok. Ich trinke ihr zu viel und bin ihr zu wehmütig. Sie
will Kinder, ich will nur einen Hund.
Unsere Wege trennen sich, aber ich bin froh, dass ich den Mut
aufgebracht habe. Vielleicht ein Lichtblick für jene, die lieber analog
unterwegs sind.
Offline geht wohl auch noch.
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